Das Leben eines Klaviers ist so schwarzweiß wie seine Tasten–entweder es gerät an einen Musiker oder es leidet.
Vom Nikolaus geschultert führt mein Weg in einer äusserst schneereichen Dezembernacht zu einem Dreijährigen ins Kinderzimmer im mittelfränkischen Neustadt an der Aisch.Überleben und Gebraucht werden: Zunächst ungewiss. Meine Tasten dienen als Spielzeug der kleinen, vom Prosciutto di Parma D.O.C.--Panino ,fettigen Zeigefinger. Ich bin ein großer Töne Kasten, der zur Belustigung„ Plim“ macht, wenn man ihn berührt. Sich als Instrument ins Leben dieses kleinen Nevio einzuschleichen, der einmal ein ernstzunehmender Musiker werden soll ,tut weh.
Es folgt jahrelange Missachtung ,bis der erste von seiner Mutter angeordnete Klavierunterricht in Tränen endet –seiner--und auch meinerseits. Hilfe!
„Wer die Musik kennenlernen möchte ,sich ihr ernsthaft nähern und öffnen möchte, muss es selbst in die Hand nehmen. Das kann nicht erzwungen werden! Das Verhältnis, das zwischen Musik und den Menschen und umgekehrt besteht, muss aus meiner Sicht vollkommen echt sein. Ich meine damit,dass es nicht der Hilfe eines Vermittlers bedarf. Sie sollte in meinen Augen und Ohren niemals von außen auferlegt werden und der Approach so natürlich wie möglich sein.“(Nevio)
Also half Nevio sich selbst. Es stellte sich heraus: Ich hatte es nicht mit einem unmusikalischen kleinen Halbitaliener zu tun, dessen Mutter(ihres Zeichens Musiklehrer unbedingt wollte, dass er Klavier spielen lernt,sondern viel mehr mit einem Autodidakten. Nachdem er nicht mehr zu mir gezwungen wurde begann ich ihm endlich Spaß zu machen und als er begriffen hat, welcheTasten zusammen gehören, ertönte das erste zaghafte Liedchen–Erleichterung!
Es hätte ein guter Pianist aus ihm werden können, wenn er mich nicht eines Tages für andere Zwecke benutzt hätte. Nevio musste ein Gedicht für die Schule auswendig lernen.Fünfte Klasse–Hermann Hesse
„Im Nebel“. Um sich die vielen Worte zu merken, spielte Nevio eine Melodie dazu und sang die Verse des Gedichts immer wieder, bis er es sich einprägen konnte und daraus sein erster richtiger Song entstand .Aber nicht nur der Lerneffekt war das Erstaunliche--zum ersten Mal kapierten wir beide viel mehr: Nicht allein ich, seine Stimme ist sein eigentliches Medium–mit ihr kann er Tränen, Lachen und Schweigen binnen weniger Sekunden auslösen. Nur er selbst brauchte eine Zeit lang, um sein Gesangstalent anderen preiszugeben– die Aufforderungen der stolzen Eltern bei Familienfeiern ,sich ans Klavier zusetzen und etwas vorzusingen, konnte e rvor Angst und Peinlichkeit nicht erfüllen.
„Die Musik war wie meine erste Freundin, die ich nie teilen wollte. Ich war eifersüchtig auf jeden der sich ihr annäherte.Man zeigt sein Innerstes denjenigen, die einem zuhören und entblösst sich bis aufs letzte Hemd. So wirkt man plötzlich zerbrechlich und anfällig. Dieser Umstand ist nicht immer leicht zu ertragen. Singen zu können ,bedeutet stets auch eine große Portion Mut.“(Nevio)
Nevio brauchte also Mut!
Das begriffen seine Freunde und kurbelten eine Vermarktungsmaschinerie an:Nevios erste eigene kleine Plattenfirma!
Sie vertickten Kassetten mit seinen Liedern für fünf Mark erfolgreich auf dem Schulhof,er durfte an seiner Schule ein Mal im Jahr ein Konzert geben („Nevio&friends“) ,sang im Chor die Solorolle des Tabaluga undfand kurze Zeit später heraus, dass er sogar die Mädchen der Oberstufe mit ,vor allem wenn er sie ins einer Vatersprache,auf Italienisch, sang. Mehr denn je wollte er jetzt –wenn er groß ist –Sänger werden.
Bald kannte man den Namen „NevioPassaro“ in jeder deutschen Osteria. Denn statt herkömmlichen Nebenjobs
wie‚Zeitungenaustragen’nachzugehen, bot Nevio den Restaurants musikalische Essensbegleitung am Piano gegen Bares an.
„Man spielt und sing tden ganzen Abend lang “O sol emio” oder“ Azzurro”. Man sollte die italienischeTradition sicherlich respektieren, doch kann jeder verstehen,dass ein 13--oder 14jähriger Junge sich so nicht wirklich amüsieren kann.“(Nevio)
Das Schicksal liess bei ieinem solchen Talent nicht allzu lange auf sich warten. Als Nevio mit 18 Jahren in einem Musikgeschäft fremdging, also ein Keyboard ausprobierte, wurde der Besitze rauf ihn aufmerksam und verlangte eine Telefonnummer. Der Rückruf kam. Ein Produzententeam liess Nevio vorsingen und veröffentlichte schliesslich mit ihm seine erste selbst geschriebene Single „La mia parola“ bei BMG Ariola /RCA. Die musikalische Karriererollte.
Doch die deutsche Vernunft liess Nevio sich auch um eine berufliche Ausbildung kümmern–warum nicht in dem Land, dessen Sprache seine Musik hauptsächlich füllt und auch Heimat ist? An der Universität in Bologna studierte er Deutsch, Italienisch ,Englisch und Französisch, darf sich seit 2006 in Italien Dottore, in Deutschland Diplom--Simultandolmetsche rund Übersetzer nennen. Um die Musik bei sich zu haben, lernte er Gitarre spielen–meine Wenigkeit war zum Transport angeblich zu schwer und zu teuer .Bei einem unserer rar gewordenen Wiedersehen während Nevios Semesterferien in Deutschland empfing ihn sein Vater im Sommer 2005 mit einer Überraschung .Er hatte seinen Sohn bei der dritten Ausgabe von Simon Fullers "PopIdol"–hierzulande" Deutschland sucht den Superstar"– angemeldet.
„Ich wusste zunächst überhaupt nicht, was das war. Habe ja in Italien nichts vom Deutschen Fernsehen mitbekommen! Mir aber gedacht: Warum
nicht?“(Nevio)
Diese Plattform hat Nevio für seine Musik zu nutzen gewusst. Er belegte den vierten Platz und bleibt einer der wenigen Künstler, dessen musikalische Karriere nach Auslaufender Ausgabe erst richtig begann. Nach einer ersten goldenen Schallplatte 2005 im Rahmen der TV- Produktion bekam er 2006 einen Plattenvertrag bei UniversalMusic, sein Debutalbum „Nevio“ erreichte wieder Goldstatus und hielt sich wochenlang ind en Albumcharts in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Single „Amore per sempre“ stieg auf Platz 2 der deutschen Singlecharts und ist in Deutschland als Evergreen in Liederbüchern vertreten.
2007 folgte der „Comet“ als bester Newcomer ,der bayerische Popkomm-Musiklöwe, eine Nominierung für den Bravo Ottos sowie 2008 eine Nominierung für den wichtigsten deutschen Musikpreis, den Echo .Das zweite Album „Due“(2008 )ist durch die zusätzliche Veröffentlichung in Italien auch über die deutschsprachigen Landesgrenzen hinaus bekannt.
Sein drittes Studioalbum „Berlino“(2011), welches anlässlichs eines30.Geburtstages in einer limitierten Auflage veröffentlicht wurde, produzierte er erneut selbständig in seinem eigenen Tonstudio „StudioUno“ in Berlin.2014 wird es ein viertes Album geben. Zum ersten Mal wird Nevio ein auf Deutsch zuhören und zu fühlen sein.
„Wenn ich Monate lang in meinem Studio arbeite ,fühle ich mich oft wie ein unrasierter Maulwurf ,der nur Ohren für die Musik hat.
Einer der spannendsten Momente ist aber, wenn ich die neuen Songs live spielen kann und s ich in den Gesichtern der Leute das zeigt ,was ich selbst gefühlt habe ,als ich Musik und Text geschrieben habe .Heute weiß ich endlich, wie wichtig und richtig es für mich ist, meine Musik zuteilen--eines der schönste Gefühle für mich.“(Nevio)
Und dieses Gefühl lebt er nun schon seit über 15 Jahren im Musikgeschäft. Nein ,an Selbstbewusstsein sollte es dem schüchternen Nevio jetzt nicht mehr mangeln, denke ich,wenn mir manchmal die Bilder des Hermann Hesse vertonen denk leinen Schuljungen in meinen Klangkasten kommen. Stolzer kann man sein Instrument nicht machen!
Trotz aller anfänglichen Schwierigkeiten zwischen uns–am Ende kam doch zusammen, was zusammen gehört.
„Danke an den
Nikolaus!“
(Nevio)
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